In diesen Tagen jährt sich zum 70. Mal die Kapitulation des Deutschen Reiches vor den alliierten Streitkräften. In den vergangenen Jahrzehnten wurde in zahlreichen Beilagen der Regionalpresse stets an die Opfer erinnert, die in den Kriegsjahren zwischen 1939 und 1945 zu beklagen waren. Stets stand dabei das Leid, die Not der heimischen Bevölkerung im Vordergrund.
Ich verfolge nun mit dieser vorliegenden Schrift die Absicht, Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Menschen zu richten, die vor gut 70 Jahren unter Zwang in die Stadt Uelzen gebracht wurde, hier unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben musste und kurz vor ihrer Befreiung unter Mithilfe Uelzener Bürger zurück in das KZ Neuengamme transportiert wurde.
Die Erinnerung an ca. 500 Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme, Außenlager Uelzen, steht im Vordergrund. Die Beschreibung von Arbeit, Ernährung,Unterkunft soll deutlich machen, wie gering das Leben jedes einzelnen Menschen wertgeschätzt wurde, um eine Forderung des NS-Terrorregimes zu erfüllen: „Vernichtung durch Arbeit“.
Doch auch Mord und Totschlag fanden in diesem Außenlager statt. Diese Kenntnis hatte ich bei Abfassung der Dokumentation 1990 so noch nicht.
Es gelang mir mit Hilfe der Unterlagen der ,Zentralen Stelle..“ einige deutsche Zeitzeugen ausfindig zu machen und mit ihnen zu sprechen. Ihre Aussagen sind nach wie vor wichtig, um sich einen Eindruck von der Situation dieses Lagers zu verschaffen.
„Doch erst nach der Lektüre der „Memoires Neuengamme“ der Niederländer Boekhoven und Laning, nach Gesprächen mit Bert Intres, einem ehemaligen holländischen Häftling des Außenlagers Uelzen und Überlebender der Schiffskatastrophe in der Lübecker Bucht, wurde mir das ganze Elend deutlich. Auch in diesem Lager erhielten Menschen absichtlich in ihrer größten Not keine Hilfe, Sie wurden gedemütigt, sie wurden ermordet. Wer das Außenlager überstand, die Schiffskatastrophe überlebte, konnte vielleicht in seine Heimat zurückkehren; geblieben war oft ein psychisches Trauma, von dem sich viele von ihnen nicht mehr befreien konnten.
Als ich 1990 die Dokumentation vorlegte, erfuhr ich Zustimmung, traf aber auch gleichzeitig auf Skepsis. Besonders ältere Uelzener taten sich schwer, die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass sich in ihrer Heimatstadt ein ,,kleines“ Konzentrationslager befunden hatte. Leider gibt es in der Öffentlichkeit bis heute keine ausführliche Darstellung dieses Geschehens, so dass es mir sinnvoll erscheint, jetzt zum 70. Jahrestag der Befreiung Uelzens vom nationalsozialistischen Terror eine etwas gekürzte Neuauflage der Dokumentation vorzulegen, ergänzt durch Aussagen holländischer Zeitzeugen.
Diese Schrift soll, wenn auch nur andeutungsweise, auf Verstrickungen scheinbar politisch neutraler wertfreier Dienstleister in die Praktiken eines Unrechtsstaates hinweisen, wie es z.B. bei der Reichsbahn der Fall war.
Umso begrüßenswerter ist es dann, wenn der Vorstandsvorsitzende der DB Station & Service AG, Dr. Andrè Zeug, in dem Schreiben vom 9.4. 2014 an die Geschichtswerkstatt Uelzen e.V. sich zur politischen und historischen Verantwortung bekennt, wenn er schreibt, dass die .Deutsche Bahn AG bzw. DB Station & Service AG.. ein großes und für die Zeit des Nationalsozialismus auch ein besonders trauriges Erbe angetreten (haben). Als Unternehmen nehmen wir die daraus erwachsene Verantwortung selbstverständlich wahr.“ Darüber hinaus zeigt er an, dass er die Bedeutung von Initiativen ,vor Ort“ wertschätzt, wenn er weiter ausführt: „…davon unabhängig sehen wir, dass die lokale Erinnerung wichtig ist…
Seitens der Geschichtswerkstatt Uelzen e.V. möchten wir die Deutsche Bahn dabei unterstützen, diese Verpflichtung einzulösen. Die Geschichtswerkstatt Uelzen e.V. sieht die lokale Erinnerung als wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeit an und macht auch noch nach 70 Jahren auf Verbrechen aufmerksam, die sich in unmittelbarer Nähe des heutigen,Hundertwasser Umweltbahnhof Uelzen ereigneten.
So plant die Geschichtswerkstatt Uelzen e.V. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG im Innenbereich des Hundertwasser Umweltbahnhofs eine Gedenktafel anbringen zu lassen, die an die Ereignisse im März/April 1945 erinnern soll.
Der Autor dieser Schrift löst damit auch ein Versprechen ein, das er mit Veröffentlichung der ersten Auflage der Dokumentation 1990 gab:
Die Dokumentation soll mit dazu beitragen, dass an einem noch näher zu bestimmenden Ort in würdiger Form an das Leid dieser gepeinigten Menschen erinnert Wird.“
Dietrich Banse