Gerard Minnaard liest anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar 2025 aus Texten des niederländischen Schriftstellers und Bergen-Belsen Überlebenden Abel J. Herzberg.
Vor Beginn der Veranstaltung ab 18:00 Uhr im Ratssaal des Rathauses findet um 17:45 Uhr ein kurzes Gedenken am Mahnmal statt.
Herzberg wurde 1893 in Amsterdam als Sohn eines jüdischen Diamantenhändlers geboren. Er studierte Jura und ließ sich als Anwalt in Amsterdam nieder. Während der 1930er-Jahre engagierte er sich in der jüdischen Gemeinschaft, wo er zu den führenden intellektuellen Köpfen zählte. Nach der deutschen Okkupation der Niederlande wurde auch Familie Herzberg in die Illegalität gezwungen. Herzbergs konnten sich außerhalb ihrer Heimatstadt in Sicherheit bringen, kehrten aber, um ihre Gastgeber nicht länger gefährden zu müssen, 1943 nach Amsterdam zurück und wurden dort bald verhaftet. Es gelang der Ehefrau Thea Herzberg noch, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen, bevor sie und ihr Mann ins Durchgangslager Westerbork gebracht wurden. Das Ehepaar Herzberg hingegen wurde im Januar 1944 nach Bergen-Belsen transportiert. Sie gehörten dort zunächst zu einer Gruppe von privilegierten Gefangenen, die für den Austausch gegen deutsche Internierte vorgesehen waren. Damit bestand für sie die Aussicht, nach Palästina auswandern zu können. Zudem waren sie mit diesem Status vor Misshandlung und Zwangsarbeit geschützt. Doch die Hoffnung auf einen Austausch erfüllte sich nicht, und die privilegierte Behandlung wurde beendet.
Mit dem sich abzeichnenden Ende des Krieges spitzten sich die brutalen und menschenverachteten Verhältnisse in Bergen-Belsen nochmals zu. Seit diesem Zeitpunkt begann Abel Herzberg, ein Tagebuch zu schreiben. Er tat dies in der Hoffnung, mit seinen Aufzeichnungen eine Grundlage für eine spätere Veröffentlichung zu schaffen. Die Notizen reichen von August 1944 bis zum 26. April 1945. Herzbergs überlebten Bergen Belsen und kehrten nach dem Krieg nach Amsterdam zurück. Auch ihre drei Kinder hatten überlebt. Herzbergs Texte wurden sofort nach dem Krieg publiziert. Er arbeitete wieder als Rechtsanwalt, aber auch weiterhin als Autor und wurde mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. 1974 erhielt er für sein Werk den Niederländischen Staatspreis für Literatur. Abel J. Herzberg starb im Mai 1989.
Gerard Minnaard beschäftigt sich seit der Zeit seines Theologiestudiums in Amsterdam mit den Texten seines Landsmannes Herzberg und dessen Aufarbeitung des Holocaust. „Das Tagebuch, das er in Bergen-Belsen geschrieben hat, hat mich sehr beeindruckt. Vor allem, weil Herzberg versucht, über das „warum“ nachzudenken. Warum tun Menschen das einander an? Warum gibt es Antisemitismus? Herzberg verbindet diese Fragen oft mit kleinen Ereignissen, die er im Lager wahrnimmt. Seine Beschreibungen sind anrührend, sie haben einen geistigen Tiefgang, und sie sind ohne Hass geschrieben worden. Als ich nach Deutschland (Berlin) gegangen bin, habe ich das Tagebuch („Zweistromland“) übersetzen lassen und herausgegeben. Dazu kam ein zweites Buch („Amor Fati“) mit Aufsätzen über Bergen-Belsen, das direkt nach dem Krieg erschienen ist. Beide Bücher sind mein Geschenk an Deutschland.“