Auf der Suche nach NS-Raubgut: Provenienzforschung und Holocaustgedenken
Im Sommer 2022 war in der Staatsbliothek Hamburg eine Ausstellung mit dem Titel „Sehr erfreuliche Vermehrungen“ zu sehen. Dieses Zitat aus dem Jahr 1942 stammt vom damaligen Direktor der Bibliothek, Gustav Wahl. Es bezog sich auf die Erweiterung der Sammlungen durch Ankäufe wertvoller Handschriften, Drucke und Bücher. Was der Direktor allerdings verschwieg: Diese Erwerbungen gingen vielfach auf Beschlagnahmungen oder Notverkäufe jüdischer Verfolgter zurück. Die Hamburger Ausstellung zeigte die Spurensuche nach solchen Zugängen aus der Zeit des Nationalsozialismus und stellte die Ergebnisse der Arbeit vor. Sie war Teil des laufenden Forschungsprojekts „NS-Raubgut in den Sondersammlungen der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg“, das seit 2018 vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert wird.
Die Provenienzforschung – also die Suche nach der Herkunft der Dinge – hat das Ziel, geraubte oder erpresste Kulturgüter zu identifizieren und eine Rückgabe an die rechtmäßigen Eigentümer zu ermöglichen. Gleichzeitig erzählt sie die Geschichten hinter den Objekten: In diesem Fall die gebrochenen Biografien der als Juden verfolgten Sammler, die vom NS-Regime schikaniert, ausgeraubt, isoliert, in die Flucht gezwungen oder in Vernichtungslager deportiert wurden. Provenienzforschung und Holocaust sind also stets eng miteinander verknüpft.
Bearbeiterin des Projekts in Hamburg ist die Historikerin und Provenienzforscherin Anneke de Rudder. Sie ist in der Region keine Unbekannte: Bis 2018 suchte sie am Museum Lüneburg nach NS-Raubgut und erforschte dabei u. a. die Geschichte der jüdischen Bankiers- und Kaufmannsfamilie Heinemann, die in der ständigen Ausstellung des Museums zu sehen ist. Anneke de Rudder wird anlässlich des Holocaust-Gedenktages 2023 ab 18:30 Uhr im Ratssaal des Uelzener Rathauses über ihre Arbeit berichten. Zuvor wird Dietrich Banse von der Geschichtswerkstatt Uelzen e.V. eine kurze Einführung zur lokalen Provenienzforschung und der häufig so schwierigen Spurensuche nach jüdischem Leben in der NS-Zeit geben.
Vor der Veranstaltung findet um 18:00 Uhr am Mahnmal in der Nähe des Rathauses ein kurzes Gedenken statt.